Sendergeschichte spannend erzählt

04.01.2021

Ewald Scheytt vom Verschönerungsverein hat dem Wahrzeichen der Stadt ein neues Buch gewidmet.

Schöne Aussichten: Dank des Engagements einer Investorengruppe geht die Geschichte des Sendermasts, der vor einem Jahr akut vom Abriss bedroht war, weiter. Fotos: Fegert, Stadtarchiv, Sammlung Lichtner

Von Ulrike Stahlfeld (Mühlacker Tagblatt)

Mühlacker. Er erhebt sich majestätisch und weithin sichtbar über der Stadt, und für viele ihrer Bürgerinnen und Bürger ist er längst das Wahrzeichen von Mühlacker überhaupt geworden. Jetzt wird dem Sender ein eigenes Buch gewidmet, das 2021 erscheinen und – reichhaltig bebildert – das höchste Bauwerk Baden-Württembergs aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln präsentierten soll. Ewald Scheytt vom Verschönerungsverein hat sich der Mammutaufgabe als Autor angenommen.
Die Idee, dem Sender ein Buch zu widmen, war bereits zu Beginn des vergangenen Jahres aufgekommen, als alles darauf hindeutete, dass die große Nadel ausgerechnet im 90. Jahr ihres Bestehens fallen würde. Damit wäre die Geschichte des einstigen Rundfunksenders zu Ende gegangen, und beim Verschönerungsverein Mühlacker dachte man über die Herausgabe eines Bildbandes als bleibende Erinnerung nach. Ewald Scheytt: „Es sollte eine Reminiszenz an den Sender sein.“
Doch dann kam alles ganz anders, eine Investorengruppe um den ehemaligen Mühlacker Stadtrat Thomas Knapp kaufte in letzter Sekunde den Sender, das Wahrzeichen blieb stehen. Da änderten sich auch bei Ewald Scheytt die Pläne, und aus dem geplanten Bildband wurde eine Dokumentation. „Durch den Kauf durch die Investoren geht die Geschichte weiter. Es lohnt sich, sie umfassend darzustellen.“
Diesem Anspruch nähert sich Scheytt in 28 Kapiteln, den Großteil der Texte hat er selbst geschrieben. Bei der aktuell letzten Episode, dem Sender-Kauf, sowie bei technischen Details greift er auf das Wissen von Jürgen Fegert und Hans-Bernd Weiner von der Investorengruppe zurück. Das Buch, das im Laufe des kommenden Jahres in einer Auflage von möglicherweise 1000 Exemplaren erscheinen soll, blickt zurück bis auf die Anfänge des sogenannten Großsenders und zu den Planungen im Jahr 1929 inmitten der Weltwirtschaftskrise. In den 1930er Jahren galt der 190 Meter hohe Mast nicht nur als höchstes Holzbauwerk der Welt, er war mit seiner Antenne in der Zeit des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges von zentraler Bedeutung. Den Nationalsozialisten diente er als Propagandamedium, den Alliierten half er als Navigationshilfe für Luftangriffe. 1945 wurde er gesprengt.
Nach dem Ende des Krieges erfolgte der Wiederaufbau durch ein amerikanisches Sonderkommando. Mit dem heutigen Sendermast mit einer Höhe von 273 Metern verfügte Mühlacker zeitweilig über das höchsten Bauwerk Deutschlands.
Der Leser erhält einen historischen Abriss, er lernt technische Details kennen und die Geschichte des Rundfunks. Doch Ewald Scheytt begnügt sich nicht mit der Aufarbeitung von Fakten. „Ich bin ein Sender-Retter“, erzählt er, wie er von seinem Wohnhaus nachts auf die blinkenden Lichter blickt; wohl wissend, dass das Thema Sender mit viel Emotionalität verbunden ist. Das habe nicht zuletzt die Flut an Leserbriefen in der Zeitung gezeigt, als es um den Abriss gegangen sei. Auch solche Details finden Berücksichtigung in dem bei Elser Druck umgesetzten Werk.
Das technische Denkmal ziert Postkarten und Poststempel, selbst auf Springerle war schon zu sehen, wie der Autor in der Dokumentation darlegt. Scheytt führte Interviews und thematisiert auch die Bedenken, als die Antenne noch „strahlte“.
Scheytt hat sich durch circa 450 Fotos und Bilder gearbeitet, die den Sender auf ganz unterschiedliche Weise darstellen. Für den Künstler Friedrich Heider war er ein Motiv, und auch der Verein Sender City möchte ein Graffiti beisteuern.
„Jedes Kapitel soll lebendig, anschaulich und vielseitig sein“, betont der Autor, der so den Leser fesseln möchte. Wer tiefer einsteigen möchte, der wird QR-Codes finden, durch die auf der Homepage des Verschönerungsvereins Briefe, Gutachten, Videos und andere Schriftstücke eingesehen werden können. Unterstützung fand der ehrenamtliche Buchautor für seine Arbeit beim SWR, bei der Stadt Mühlacker und deren Stadtarchivarin Marlis Lippik und beim Historisch-Archäologischen Verein.
In monatelangen intensiven Recherchen tauchte Scheytt ein in die lange Geschichte des Senders, die stets mit gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen verbunden war. „Das war hochspannend“, sagt der Dürrmenzer, der seine Einblicke im neuen Jahr an die Leser in Mühlacker und darüber hinaus weitergeben will.

Ursprünge: der Mühlacker „Großfunksender“ – anfangs noch aus Holz – als Postkartenmotiv.

Rundfunktechnik von anno dazumal: Blick ins Innere der Senderhallen mit dem Schaltpult.

Neuanfang: Szene vom Bau der heutigen Stahlnadel nach dem Zweiten Weltkrieg.